Sonja

Berlin

Franzi

München

„Die Tatsache, dass wir homosexuell sind, nimmt in unserem Leben und Denken einen sehr kleinen Teil ein“

ZZZ

Unser Interview hat ein Ziel: Normalität neu zu definieren – Teil 2 vom Start in die Schwangerschaft, die Frage nach der Vaterrolle, Beziehungsmodelle und  einer unaufgeregten Normalität in der Gesellschaft.

Anna und Hanna mit ihrer zauberhaften vier Monate jungen Tochter, sind Berliner Kundinnen der Windelei. Sie lassen uns in ihre lesbische Beziehung hineinschnuppern. Dass unsere Fragen notwendigerweise privat sind, liegt auf der Hand. Aber es gibt ja eben eine politische Dimension des Privaten und um die geht es. So beschrieb es Anna noch bevor sie die Fragen beantwortete.

Teil 1 erzählte vom Beginn ihrer lesbischen Liebe, der Schwangerschaft und viele gesellschaftliche Hindernisse, die heterosexuelle Paare nie überwinden müssen. Nun gehen wir weiter in der Geschichte der nun bald drei weiblichen Familienmitglieder:

Windelei: Wie war dann Deine Schwangerschaft, Hanna?

Hanna: Ich habe zwar vier Schwangerschaftstests gemacht, weil ich es erst gar nicht glauben konnte, aber dann war der Schalter umgelegt, und es war für mich das selbstverständlichste der Welt, schwanger zu sein. Die Schwangerschaft war dann ganz normal mit Übelkeit am Anfang und Kurzatmigkeit ab Woche 5 – aber auch dem besten Schlaf meines Lebens.

Und es war auch völlig unwichtig, wie ich schwanger geworden war.

Windelei: Ward ihr auch auf Zwillinge vorbereitet? Die Wahrscheinlichkeit bei künstlicher Befruchtung steigt doch?

Hanna: Vor eineiigen Zwillingen ist man ja nie „sicher“. Aber die Geschichte der Kinderwunschärztin bei unserem ersten Infoabend, in der eine Frau sich hat zwei Eier zurückgeben lassen, die sich dann beide nochmal geteilt haben, so dass sie letztlich Vierlinge bekam, hat uns sehr beeindruckt.

Die Reproduktionsmedizin ist mittlerweile so gut, dass in der Regel nur ein Ei zurückgegeben wird. Ich hatte Respekt davor Zwillinge zu bekommen, so dass ich auch auf keinen Fall zwei befruchtete Eizellen auf einmal bekommen wollte. Letztendlich war es dann aber so, dass die Qualität der Eizellen nicht so gut war und die Ärztin empfahl zwei einzusetzen. Weil ich ihr vertraut habe, haben wir das auch so gemacht. Erst beim Verlassen der Praxis wurde mir heiß. Aber sie hatte recht, es hat nur ein Baby angebissen.

Windelei: Wow! Wie habt ihr dann entbunden?

Hanna: Anna war bei der Geburt dabei. Bevor ich schwanger geworden war, hatte ich mir immer vorgestellt, ich gehe ins Geburtshaus und danach sofort nach Hause.

Wir hatten dann eine Beleghebamme und waren sechs Tage im Auguste-Viktoria-Krankenhaus, zur Einleitung und danach noch drei zur Nachsorge – und es war einfach perfekt für uns. Wir hatten ein Familienzimmer, in dem wir zwei Tage bei Vollpension auf die Wehen gewartet haben. Als es dann endlich losging, waren wir schon total zu Hause in der Klinik, und konnten die erste Phase zu zweit für uns machen, wie wir es auch bei uns daheim gemacht hätten; mit dem Vorteil, dass es nur drei Meter zum Kreißsaal waren.

Windelei: Wie haben Freunde und Familie auf eure Schwangerschaft und euer süßes Baby reagiert?

Hanna: In unserer gesellschaftlichen Blase haben sich alle einfach nur gefreut. Viele waren sehr neugierig, wie wir das Kind gezeugt haben, und ausnahmslos alle sind schockiert, dass die Gleichstellung der Ehe nichts am Adoptionsrecht geändert hat. Wir erleben sehr viel Mitgefühl, dass Anna jetzt durch diese staatliche Diskriminierung der Stiefkindadoption muss. Insgesamt, glaube ich, sind wir nicht anders behandelt worden, als ein heterosexuelles Paar, das ein Kind bekommt.

Windelei: Was hat die Geburt mit euch als Paar gemacht?

Hanna: Auch wenn die letzten drei Stunden der Geburt fies und anstrengend waren, hat uns dieses Erlebnis nochmal ganz neu als Paar zusammengebracht. Es hat ein paar Tage gebraucht, bis wir verstanden haben, dass dieses winzige Wesen wirklich zu uns gehört, und ich war auch ganz schön erschüttert, was da mit mir passiert war. Aber dann kam nach zwei drei Tagen der Liebeseinschuss, und wir sind sehr glücklich durch die Wochenbettzeit gesegelt.

Windelei: Glaubt ihr, dass die Vaterrolle für eure Tochter fehlt? Was haltet ihr selber davon?

Anna: Ich bin in keiner klassischen Familienkonstellation aufgewachsen, sondern mit Voll-, Halb-, Zieh- und Stiefgeschwistern und dazugehörigen Müttern, Vätern, Onkeln, Tanten und was man sich sonst noch so vorstellen mag. Mein Vater füllte die Elternrolle nur bedingt aus, obwohl er dafür theoretisch zur Verfügung gestanden hätte. Aufgrund dieser Erfahrung finde ich, dass es eher darauf ankommt Menschen im Umfeld des Kindes zu haben, die sich verantwortlich fühlen und ihm Halt geben. Dazu kommt, dass der klassische Vater, als abwesender Ernährer der Familie, meiner Meinung nach, eine überholte Rolle ist.

Windelei: Du würdest also sagen, dass der Begriff Vater bzw. Mann neu definiert werden sollte?

Anna: Ganz allgemein möchte ich sagen, dass insbesondere die Frage danach, was ein Mann ist und sein sollte, hochaktuell ist und natürlich in der Kindererziehung eine Rolle spielt. Wir versuchen uns dem zu nähern, durch Gespräche im Freundeskreis, Literatur zum Thema und den Kontakt mit solchen Männern, von denen wir uns mehr für die Gesellschaft wünschen.

Ich persönlich stehe der Zuordnung bestimmter Eigenschaften zum weiblichen oder männlichen Geschlecht eher skeptisch gegenüber. Das hat biografische Gründe. Ich habe viele Jahre meiner Kindheit quasi als kleiner Junge verbracht. Damit meine ich nicht, dass ich mich als Junge definiert oder meine Familie mich so bezeichnet hätte. Ich war immer Anna. Aber ich habe eben Hosen getragen, hatte kurze Haare, bin auf Bäume geklettert, Skateboard gefahren, habe mich mit Freunden gerauft, viel geflucht und wurde regelmäßig aufs Männerklo geschickt. Das hat erst in der Pubertät zu Konflikten geführt, denn plötzlich wurde von mir verlangt, mich wie eine Frau zu kleiden und zu verhalten. Auch wenn ich diesen Konflikt für mich mittlerweile größtenteils gelöst habe, sorgt mein Erscheinungsbild immer noch regelmäßig für Irritationen. Mir erscheint das unnötig, denn die Irritation entsteht ja nur, weil die Vorstellung von dem, was eine Frau ist, so eng gesteckt ist. Was ich damit sagen will, die Eigenschaften, die einen guten Vater ausmachen, sind vermutlich einfach die Eigenschaften, die einen zu guten Eltern machen, ob Mann oder Frau.

Windelei: Sonja lebt als Alleinerziehende und hat ihren Sohn aus einer Co-Elternschaft bekommen, Franzi lebt in wilder Ehe mit Sohn und Mann zusammen. Wir gehören also auch nicht zur Normfamilie. Wie begegnet ihr dem Vorwurf, keiner klassischen verheirateten Familie anzugehören. Oder dass ihr eurer Tochter ein Beziehungsmodell vorlebt, dem sie dann selber folgt, weil sie es nicht anders kennt?

Hanna: Tja. Ich kann darin keinen Vorwurf erkennen. Ich mag ja mein Beziehungsmodell, da fände ich es total OK, wenn mein Kind das auch für sich wählt. Auch wenn ich das für eher unwahrscheinlich halte. Aber vielleicht sollten wir eh aufhören, von Modellen zu sprechen. Wir haben eben Beziehungen, und versuchen sie so zu leben, dass sie funktionieren. Ich habe kein Beziehungsmodell gewählt, ich habe mich verliebt, und lebe das aus. Ich kann darin kein schlechtes Vorbild für mein Kind erkennen.

Anna: Dieser Logik nach wären Hanna und ich nicht zusammen, sondern in vollkommen anderen, aber in jedem Fall heterosexuellen Konstellationen. Im übrigen muss man ja sagen, dass wir ein extrem klassisches Familienbild abgeben, mit der einen Ausnahme, dass wir beide Frauen sind. Ansonsten ist es bei uns so geregelt, wie bei vielen heterosexuellen Familien nicht. Wir haben erst geheiratet, dann ein Kind gezeugt. Wir leben zusammen, teilen uns ein Konto und essen sonntags ein Ei. Wie ich schon sagte, wäre ich nicht unbedingt auf die Idee gekommen zu heiraten, wenn die gesetzliche Lage es nicht notwendig gemacht hätte. Insofern wurden lesbische Paare mit Familienwunsch, zumindest in dieser Hinsicht, zu einer traditionellen Norm verpflichtet, die heterosexuelle Familien schon längst nicht mehr erfüllen müssen.

Windelei: Wir sind froh euch auf unserer Homepage als Familie abbilden zu können, die uns ein kurzes Kundenstatement gaben. Inwiefern fehlt euch dieser Blick auf diverse Familien in unserer Gesellschaft? Was kann jedeR Einzelne, aber auch im Großen machen, um Diversität als Normalität zu begreifen?

Hanna: Ich freue mich, dass beispielsweise in Fernsehserien homosexuelle Liebe ziemlich selbstverständlich vorkommt, und oft auch schon ohne problematisiert zu werden. Schaut man allerdings in Broschüren, die man in Krankenhäusern oder von anderen offiziellen Stellen zu Kinderpflege bekommt, oder in „Erziehungsratgebern“ kommt etwas anderes als die heteronormative Familie so gut wie nicht vor. Auch Kinderbücher mit gleichgeschlechtlichen Elternpaaren sind eher selten.

Mehr unaufgeregte Sichtbarkeit wäre aber wichtig, um andere Familienkonstellationen nicht mehr als das „Andere“ begreifen zu müssen. Dann müsste es auch nicht mehr als bedrohlich wahrgenommen werden. Dazu sei erwähnt, dass es mir sowieso ein Rätsel ist, wieso meine Liebe die Ehe von irgendjemand anderem gefährden sollte. Ohne Andersartigkeit könnten wir uns einfach unsere Leben leben lassen. Denn es ist ja so: Die Tatsache, dass wir homosexuell sind, nimmt in unserem Leben und Denken einen sehr kleinen Teil ein, und ist für unser Zusammenleben ziemlich unbedeutend. Ich wünsche mir, dass wir dahinkommen, dass sie das auch für die öffentliche Wahrnehmung ist.

Anna: Ich denke, dass Dialog unheimlich wichtig ist. Denn im direkten Kontakt lässt sich häufig feststellen, dass die Gemeinsamkeiten eigentlich die Differenzen überwiegen. Insofern möchte ich dazu ermuntern, ruhig einmal eine Frage zu stellen. Allerdings muss klar sein, dass das Gegenüber nicht zu einer Antwort verpflichtet ist. Ich habe in meinem Leben oft erlebt, dass von mir erwartet wurde, mich zu erklären, weil ich ja die „Andere“ war. Ein solcher Anspruch auf Erklärung besteht nie! Empathie für das Gegenüber, wie man sie in jedes Gespräch miteinbringen sollte, ist also auch hier angemessen.

„Der Staat nimmt sich heraus, zu behaupten, dass das nicht ihr Kind ist. Das ist unglaublich verletzend.“

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Unser Interview hat ein Ziel: Normalität neu definieren – Teil 1

Vom Beginn einer lesbischen Liebe bis zur Samenspende und viele gesellschaftliche Hindernisse, die heterosexuelle Paare nie überwinden müssen.

Anna und Hanna mit ihrer zauberhaften vier Monate jungen Tochter sind Berliner Kundinnen der Windelei. Sie lassen uns in ihre lesbische Beziehung hineinschnuppern. Dass unsere Fragen notwendigerweise privat sind, liegt auf der Hand. Aber es gibt ja eben eine politische Dimension des Privaten und um die geht es. So beschrieb es Anna noch bevor sie die Fragen beantwortete.

Windelei: Liebe Anna, liebe Hanna, erzählt doch bitte kurz wie habt ihr euch kennengelernt und wie lange seid ihr schon zusammen?

Anna: Wir haben uns, geradezu altmodisch, in einer Bar kennen gelernt. Das war im „August Fengler“, eine von diesen Berliner Kneipen, in denen es vorne einen Tresen gibt und hinten eine winzige Tanzfläche und die eigentlich nichts Besonderes an sich hat. Dort landet man, wenn einem gerade das Portemonnaie geklaut wurde und man einen Schnaps braucht oder man am Vortag verlassen wurde und nicht so recht weiß, wohin mit sich. Jedenfalls geht man hinein, trinkt drei Bier und wenn man wieder rauskommt ist es 5 Uhr morgens und man hat keine Ahnung wo die Zeit hin ist.
So haben wir uns kennengelernt, Ostern 2009. Zusammengekommen sind wir erst später. Aber das ist eine längere Geschichte, die heben wir uns für nach drei Bier auf.

Windelei: Ihr seid verheiratet, oder?

Anna: Verheiratet sind wir seit 2018. Der Anstoß dafür war die Entscheidung für ein gemeinsames Kind. Die rechtliche Lage machte die Heirat notwendig, weil ich ansonsten keine Möglichkeit gehabt hätte, Hannas zukünftiges Kind zu adoptieren. Mittlerweile hat sich die rechtliche Lage geändert. Stiefkindadoptionen sind jetzt auch ohne Eheschein möglich. Unsere Hochzeitsfeier war jedenfalls so wunderschön, dass wir sie um nichts missen wollten, Gesetze hin oder her.

Windelei: Wusstet ihr von Anfang an, dass ihr eine Familie gründen möchtet oder wie seid ihr der Überlegung begegnet?

Anna: Ich hatte weder Kinder noch Heirat wirklich in meinem Lebensentwurf. Das hing auch mit meiner Sexualität zusammen. Für mich bedeutete Homosexualität ein radikales Anderssein, Heirat und Kinder passten nicht in dieses Bild. Vorbilder, die lesbische Homosexualität mit Familienleben verbanden, kannte ich nicht. Ich wusste aber von Anfang an, dass Hanna eine Familie will. Sie hatte etwas Überzeugungsarbeit zu leisten.

Hanna: Ich wollte schon immer Kinder. Und ich hatte auch große Lust, schwanger zu sein. Ich finde es so absolut großartig, dass der weibliche Körper das kann, dass ich das unbedingt erleben wollte. Als ich dann mit Mitte 20 entdeckt habe, dass ich auch Frauen liebe, habe ich mich als erstes durch die unterschiedlichen Möglichkeiten der Familiengründung gegoogelt, wenn die Beziehung kein Sperma produzieren kann.

Windelei: Habt ihr besprochen ob ihr beide eine Schwangerschaft erleben möchtet?

Anna: Ich hatte sehr lange ein schwieriges Verhältnis zu meinem weiblichen Körper und auch wenn sich das mittlerweile geändert hat, eine schwangere Frau werde ich nie sein.

Windelei: Wusste jede von euch schon vor eurer Beziehung, dass sie mal ein Kind haben möchte?

Anna: Mit Mitte zwanzig hörte ich in einem Café einer Unterhaltung zwischen zwei lesbischen Frauen zu. Sie waren ungefähr zwanzig Jahre älter als ich. Das Gespräch drehte sich um die gleichen Themen, wie sie mein aktuelles Leben bestimmten und ich habe mich gefragt, ob das anders wäre, wenn sie Kinder hätten. Das hat mir zu denken gegeben. Ich hatte die Vermutung, ein Kind würde eine andere Perspektive als die Ich-zentrierte mitbringen, was mir gut erschien. Von diesem Gedanken war es trotzdem noch weit bis zu einem konkreten Kinderwunsch und ohne Hanna hätte ich vielleicht nie ein Kind bekommen.

Windelei: Ok, also der Kinderwunsch war dann irgendwann geweckt. Jetzt musste noch geklärt werden, auf welchem Weg Hanna schwanger werden sollte. Welche Möglichkeiten habt ihr für euch in Betracht gezogen bzw. wieder fallen gelassen?

Anna: Es gibt viele Möglichkeiten an Sperma zu kommen. Grundsätzlich gibt es zwei Optionen: privat oder mit Samenbank.
Eine private Spende hat den biologischen Vorteil, dass das Sperma frisch ist, was die Chancen auf eine Schwangerschaft erhöht. Nicht allzu selten, zum Beispiel, bieten einem heterosexuelle Männer aus dem Freundeskreis ihre Hilfe an. Das führt dann gerne zu merkwürdigen Situationen, denn wie sagt man seinem guten Freund, dass man ihn zwar sehr mag, aber sein Sperma lieber nicht möchte? Genauso gut kann es sein, dass man jemanden kennt, den man sich als Spender gut vorstellen kann, aber zu welcher Gelegenheit ist eine solche Frage angemessen? Die Suche nach Spendern im Internet ist in dieser Hinsicht einfacher.

Windelei: Gibt es noch andere Nachteile bei privaten Spendern?

Anna: Es gibt einen rechtlichen Nachteil: Ein privater Spender kann das mit seinem Sperma gezeugte Kind erst acht Wochen nach dessen Geburt zur Adoption freigeben. Ohne die Freigabe kann die Co-Mutter das Kind nicht adoptieren. Es besteht also das Risiko, das Sorgerecht für das gemeinsame Kind nicht zu bekommen, sollte der Spender seine Meinung ändern und die Vaterschaft doch anerkennen lassen. Mich hat diese Möglichkeit sehr beunruhigt, weshalb ich es von Anfang an lieber mit einer Samenbank versuchen wollte.

Windelei: Ok, also war für euch klar, dass der Samen von einer Samenbank stammen wird?

Anna: Ja. Der rechtliche Vorteil bei der Samenbank ist, dass die Spende dort anonym ist, es also für den Spender keine Möglichkeit gibt eine Vaterschaft einzufordern. Biologisch allerdings ist die Samenbank nicht die beste Option, denn das Sperma wird in gefrorenem Zustand aufbewahrt. Durch das Einfrieren und Auftauen bekommt es leider einen Hau weg – bei weitem nicht alle Spermien überleben die Prozedur. Außerdem ist eine solche Behandlung recht teuer. Neben den Kosten für das Sperma müssen Transport und Lagerung sowie ÄrztInnen für Insemination oder In-Vitro-Fertilisation bezahlt werden.

Windelei: Gibt es Auswirkungen in welcher Art von Beziehung die zu befruchtende Frau gerade lebt?

Anna: Ob die zu befruchtende Frau in einer hetero- oder homosexuellen Beziehung steckt oder alleinerziehend ist, spielt für die Behandlung selbst keine Rolle. Es bedeutet aber unter Umständen höhere Kosten oder einen anderen rechtlichen Aufwand. Krankenkassen zahlen Kinderwunschbehandlungen unter ganz bestimmten Umständen: Paare müssen theoretisch in der Lage sein miteinander Kinder zu zeugen. Das schließt lesbische Paare und alleinstehende Frauen von vornherein aus, aber nicht nur diese. Denn auch heterosexuelle Paare, bei denen die Frau etwa zu alt ist (Richtwert 42 Jahre) oder der Mann vollständig unfruchtbar, bekommen keine finanzielle Unterstützung. Nur Paare, deren Eizellen und Spermien mit technischen Mitteln irgendwie zur Fortpflanzung verwendet werden können, können sich die Behandlung bezahlen lassen. Die zugrundeliegende Logik ist mir unklar, denn günstiger ist die Behandlung deswegen nicht unbedingt.

Windelei: Also ihr musstet die komplette Befruchtung selber zahlen. Gibt es sonst noch Fallstricke, um in einer Frauenbeziehung schwanger zu werden?

Anna: Oh ja. Nehmen wir noch den Besuch beim Notar. Den müssen alleinstehende Frauen und lesbische Paare machen, bevor sie Sperma von der Samenbank bekommen. Das ist jetzt ein bisschen kompliziert, aber ich versuche es knapp zu erklären:
Ein Kind, das in eine heterosexuelle Ehe hineingeboren wird, ist automatisch das Kind beider Eheleute. Das ist auch dann der Fall, wenn einer oder beide transsexuell sind. Wichtig ist der Geschlechtseintrag im Personalausweis. Mit dem zugestandenen Sorgerecht sind beide unterhaltspflichtig.

Ein Kind, das mittels Samenspende in eine lesbische Ehe oder einer alleinstehenden Frau geboren wird, hat rechtlich erst einmal nur einen Elternteil – die Frau, die es geboren hat. Damit ein solches Kind nicht benachteiligt wird, steht ihm rechtlich eine zweite unterhaltspflichtige Person zu. Nun ist aber offen, wer diese zweite Person ist, denn der Spender kann hierfür nicht herangezogen werden. Das bringt Samenbank und Kinderwunschklinik selbst in Gefahr unterhaltspflichtig zu werden, denn diese haben die Frau ja befruchtet. Um sich vor Unterhaltsansprüchen zu schützen, wurde von mir daher eine notarielle Beglaubigung verlangt, in der ich versichere, den gegebenenfalls anfallenden Unterhalt zu übernehmen. Eine alleinstehende Frau müsste einen Bürgen oder eine Bürgin hierfür finden. Eine solche Beglaubigung ist nicht wahnsinnig aufwändig, aber bedeutet doch einen finanziellen und zeitlichen Mehraufwand, den heterosexuelle Paare nicht haben.

Die rechtliche Lage ändert sich immer mal wieder. Ich denke, dass die Möglichkeit zur Anerkennung der Elternschaft vor der Geburt eine Lösung wäre.

Windelei: Neben dem Unterschied zu heterosexuellen Paaren zum Notar zu gehen bevor die Befruchtung stattfindet gab es noch weitere Besonderheiten aufgrund eurer lesbischen Beziehung?

Hanna: Unsere Kinderwunschklinik hat sich dann auch noch abgesichert, in dem sie einen Besuch bei einer Psychologin vorgeschrieben hat, die in einem Gespräch „geprüft“ hat, ob wir uns das auch gut überlegt haben mit dem Kind. Das war kein schlimmer Termin, aber lästig, und wir hatten außerdem das Gefühl, dass die Therapeutin ein größeres Problem mit unserer Konstellation hatte als wir. Sie hat uns mehrfach Lösungen für Probleme angeboten, die wir gar nicht hatten.

strong>Windelei: Seid ihr nun beide automatisch als Mütter eingetragen oder wie ging der Prozess nach der Geburt weiter, damit ihr eine komplette Familie seid?

Anna: Bislang ist nur Hanna als rechtliche Mutter eingetragen. Ich muss unser Kind adoptieren, obwohl wir verheiratet sind. Wäre ich ein Mann, wäre ich mit Geburt der rechtliche Vater, trotz Samenspende. Das bedeutet nicht nur für mich eine große Unsicherheit, sondern auch für unser Kind. Die Gesetzeslage ist klar diskriminierend und wird aus diesem Grund derzeit vor dem Verfassungsgericht verhandelt. Den Antrag auf Adoption kann man erst acht Wochen nach der Geburt des Kindes stellen. Meiner Meinung nach eine unnötige Verlängerung der Unsicherheit. Insgesamt fühle ich mich ziemlich gegängelt.

Windelei: Und was musst du für die Adoption noch alles vorlegen? Wohlgemerkt obwohl du schon beim Notar warst und dafür bezahlt hast, dass man dir glaubt, dass du für das Kind sorgen wirst?

Anna: Was viele nicht wissen, es ist nicht einheitlich geregelt, welche Unterlagen für eine Adoption vorgelegt werden müssen. Diese Entscheidung obliegt den jeweiligen Richter*innen. Wenn sie Lust haben, können sie von mir die vollständige Offenlegung meiner Finanzen, ein polizeiliches Führungszeugnis oder auch einen HIV-Test verlangen. Für manche Adoptionsfälle mag dies sinnvoll und gerechtfertigt sein, sicherlich war es das nach dem zweiten Weltkrieg als das Adoptionsrecht entstand. Für einen Fall wie unseren ist eine solche Durchleuchtung absolut unangemessen.

Hanna: Um das nochmal klar zu machen: Obwohl Anna von Anfang an in den Entscheidungsprozess ein Kind zu bekommen eingebunden war, sich von Anfang an für dieses Kind entschieden, mich den ganzen Weg durch Schwangerschaft und Geburt begleitet hat, muss sie es über sich ergehen lassen, dass das Jugendamt vorbeikommt – in manchen Fällen auch mehrfach – und ihre Beziehung zu unserem Kind hinterfragt. Sie hat das Kind im Arm gehalten, während ich nach der Geburt versorgt wurde, hat die Nächte durchgewacht, alle drei Stunden gewickelt, geht ein Jahr in Elternzeit, und der Staat nimmt sich heraus, zu behaupten, dass das nicht ihr Kind ist. Das ist unglaublich verletzend.

Windelei: Hattet ihr Mütter- oder Väterpartnerschaften in eurem Freundeskreis die diesen Weg schon gingen oder andere Beratungsstellen für Regenbogenfamilien?

Hanna: Wir kannten damals ein einziges Frauenpaar, das aktiv zusammen ein Kind bekommen hat. Bei anderen lesbischen Paaren mit Kindern aus dem Bekanntenkreis, hatte jeweils eine der Frauen die Kinder mit in die Beziehung gebracht.
Unsere Freundinnen haben uns viel über den Prozess berichtet, von falsch aufgetautem Sperma, was sie ein ganzes Jahr vergebliche Inseminationsversuche gekostet hatte, von Spermaübergaben auf Parkplätzen, weil der Spender nicht in derselben Stadt wohnte, und auch davon, dass man ein Jahr verheiratet sein muss, um den Adoptionsprozess anstoßen zu können. Bei letzterem stellte sich dann heraus, dass das nur für Bayern galt. In Berlin hätte man im Prinzip am Tag der Adoption heiraten können.
Wir waren auch im Regenbogenfamilienzentrum – danach hatten wir aber eher mehr Fragen als vorher.

Windelei: Was hat dieser technische Prozess in eine Familie zu starten mit eurer Beziehung, eurem Seelenleben gemacht?

Hanna: Ich habe es als sehr belastend empfunden, diesen sehr emotionalen und eigentlich intimen Vorgang, ein Kind zu zeugen, so technisch zu beschreiten. Auch dass dabei notgedrungen so viele andere Menschen involviert sind, fand ich anstrengend. Dazu kam, dass ich beruflich sehr viel reise, und es schwierig war, Phasen zu finden, in denen ich zwei Wochen am Stück in der Stadt war, die dann auch noch zu meinem Zyklus passten.
Ich war erstaunt, wie wenig die Kinderwunschkliniken auf den weiblichen Zyklus, der sich eben nicht an Wochenenden und Feierabende hält, eingestellt sind. Die haben ganz normale Öffnungszeiten und Wochenenden und Ferien. Außerdem hatte ich oft das Gefühl, ich rufe zu spät an, um noch einen Termin zu bekommen. Dabei es ist gar nicht möglich, Monitoring und Insemination weiter als höchstens 2 Wochen im Voraus zu planen.

Windelei: Welche praktischen Schwierigkeiten hast du irgendwie körperlich und seelisch auffangen müssen?

Hanna: Anfangs waren wir noch bei einer Samenbank, die immer nur eine Probe ausgeliefert hat, aber z.B. Freitags nur bis 12:00 Uhr. Wenn ich also Freitagmorgen Blut abnahm, um festzustellen, ob ich einen Eisprung habe, musste ich auf ein schnelles Ergebnis aus dem Labor hoffen. Die sagten dann einem Fahrer Bescheid, der die Probe aus der Samenbank abholen sollte. Aber es passierte auch, dass der dann aus irgendeinem Grund zu spät war und so war die Samenbank schon zu und damit wieder ein ganzer Monat mentale Vorbereitung in einem einzigen, nicht von uns beeinflussbarem Moment vorbei. Das hat mich fertig gemacht. Man hat ja nur einen Versuch pro Monat, und bei mir war es dann eben auch oft so, dass ich schon wusste, dass ich die nächsten Monate gar nicht da sein werde – das war so ein Stress, dass ich nach anderthalb Jahren erst mal sechs Monate Pause machen musste.

Hinzu kam die psychische Belastung wenn ich meine Tage bekam. Also zunächst einmal zwei Wochen banges Warten erdulden nach der Insemination. Und dann setzt die Menstruation ein und zeigt klar, dass es wieder nicht geklappt hat. Dann wollte ich eigentlich nur weinen, aber, ich musste sofort Leute anrufen, um den nächsten Versuch organisatorisch in Gang zu setzen. Es war so zermürbend, auch weil ich anstatt der Trauer wieder Hoffnung und Kraft aufbringen wollte und auch musste, um weiterzumachen.

Windelei: Und wie hat es dann doch geklappt, meinst du?

Hanna: Irgendwann haben wir die Samenbank gewechselt. So konnten wir Monitoring und Insemination in derselben Praxis machen lassen. Wir hatten so auch zum ersten Mal eine feste Ärztin, das hat sehr geholfen.
Aber alles in allem war das für mich eine sehr anstrengende Zeit.

Windelei: Wie erging es dir, Anna?

Anna: Für mich war es in vielerlei Hinsicht deutlich weniger belastend. Aber eine Sache war nicht ganz einfach: Weil ich nicht diejenige war, die schwanger werden sollte und ich auch nicht das Sperma liefern konnte, wurde ich oft nicht so stark einbezogen. Das hat sich in kleinen Dingen geäußert, zum Beispiel wenig Blickkontakt und Ansprache. Ich saß häufig neben Hanna und hatte das Gefühl ungesehen und nutzlos zu sein. Und das stimmt auf der biologischen Ebene, aber auf der emotionalen ist die Unterstützung der Partnerin/des Partners natürlich sehr wichtig. Das ist leider ein Punkt, der im technisch-medizinischen Ablauf wenig beachtet wird. Es führt dazu, dass PartnerInnen dahingehend nicht unbedingt unterstützt werden. Da bin ich aber vermutlich als Co-Mutter in einer ähnlichen Situation wie ein unfruchtbarer Mann.

Hier geht es weiter zu Teil 2- von der Schwangerschaft, über die Vaterrolle, Beziehungsmodellen und unaufgeregte Normalität für die Zukunft.

„Ist doch super, mit Mitte 20 schon Geschichten im Großmutterstil parat zu haben.“

ZZZ

Aus der Blog-Serie „Elternsein und Elternwerden in Coronazeiten“:

Schwanger mit dem 1. Kind, kurz vor der Entbindung und das zu Corona-Zeit? Welche Sorgen umtreibt sie? Welche Gedanken macht sie sich? Wir haben uns in unserem Kundenkreis umgehört. Hier berichtet Jana, Schwanger im 10. Monat, Berlin-Moabit.

Windelei: Wir erleben gerade eine absolute Umkehr unseres Soziallebens – die wohl sogenannten „unsichere Zeiten“. Und du bekommst dein 1. Kind, Dein errechneter Geburtstermin war der 14.4. – wie fühlt sich die Situation an für dich?

Jana: Es ist wirklich verrückt, ausgerechnet in dieser Zeit ein Baby zu bekommen. Zwei Ereignisse, die mich manchmal überfordern und die ich noch nie zuvor erlebt habe, zeitgleich zu durchleben, ist ziemlich anspruchsvoll. Es ist aber wunderschön, zu bemerken, was für ein wahnsinnig tolles, aufmerksames Umfeld ich habe. Alle meine Freund*innen und auch viele Bekannte melden sich regelmäßig bei mir und bieten mir an, für mich einkaufen zu gehen oder fragen nach, wie sie mich unterstützen können. Die zwangsläufige Entschleunigung meines Alltags nun zum Ende der Schwangerschaft nehme ich tatsächlich als bereichernd war – ich glaube, ich komme so gerade mehr zur Ruhe als unter gewöhnlichen Umständen. Natürlich kommen mir manchmal auch Szenarien in den Kopf, wie ich völlig isoliert und hilflos mit einem Säugling in meiner Wohnung gefangen bin – dann versuche ich mir vorzustellen, wie wir in zehn Jahren erzählen können, was für schwere Zeiten das waren. Ist doch super, mit Mitte 20 schon Geschichten im Großmutterstil parat zu haben.

Humor mit dickem Bauch: Tiefbau(ch)
Passender Hintergrund im 10. Monat: „Tiefbau Bauch“.

Windelei: Wie gehst du derzeit mit dem Corona-Social-Distancing um? Welche Gedanken machst du dir wegen deines Kindes?

Jana: Ich nehme das social distancing sehr ernst. Solange es mir psychisch noch gut damit geht, möchte ich Kontakt meiden. Ich wohne aber in einer WG und ohne die würde ich ziemlich sicher jetzt etwas anderes sagen. Ich gehe auch jeden Tag alleine spazieren. Da ich ja weiß, dass ich in den nächsten Tagen in ein Krankenhaus gehen werden muss, käme es mir äußerst verantwortungslos vor, eventuell infiziert zu sein. Dass das Baby mit seinem kaum vorhandenen Immunsystem eine potentielle Infektion vielleicht doch nicht so gut weg steckt, wie es in den Medien behauptet wird, macht mir die größten Sorgen. Daher empfinde ich es als sinnvoll, diese Kontaktsperre auch nach der Geburt ernst zu nehmen, und gleichzeitig frage ich mich, ob sich dann für mich auf Dauer nicht ein Gefühl des Alleingelassen seins einstellt.

Windelei: Wie stellst du dir die Geburt und euer Wochenbett vor? Was hast du schon alles organisiert, was lässt du auf dich zukommen?

Jana: Meine hauptsächliche Organisation bestand eigentlich darin, mir selbst zu vermitteln, dass ich eh nichts organisieren kann. Ich habe Kleidung, Windeln und ein Tragetuch für das Baby – und noch mehr Sachen, natürlich, ich habe so viel geschenkt bekommen. Und ich habe einen leeren Terminkalender. Also ich bin bereit für schlaflose Nächte. Ich habe mir auch eine analoge Kamera gekauft – das war mir wichtig, dass man die Entwicklung des Babys zwar dokumentiert, aber nicht so überbordend, wie das schnell passiert, wenn man immer mit dem Handy fotografiert.

Die Geburt stelle ich mir gar nicht vor – die wird so, wie sie wird, und das ist dann auch okay. Für das Wochenbett ist mir am wichtigsten, dass ich ein frisch bezogenes Bett habe, wenn ich aus dem Krankenhaus komme. Alles andere wird sich ergeben.

Windelei: Du bist Alleinerziehend. Darauf konntest du dich schon mit der Schwangerschaft einstellen. Gibt es Dinge die Dir da vielleicht mehr Angst oder Gelassenheit bringen als in einer Partnerschaft?

Jana: Gelassenheit insofern, dass es mich mit Sicherheit sehr viel mehr stressen würde, mit einem Menschen zusammen zu sein, in den ich nicht verliebt bin – nur wegen des Kindes. Also im Kontext dieses konkreten Kindes mit diesem konkreten Mann gibt es keine andere Option als alleinerziehend. Wobei es ja auch zwei Formen von alleinerziehend gibt, getrennt erziehend oder eben, wenn wirklich nur ein Elternteil Verantwortung übernimmt. Da letzteres bei mir scheinbar der Fall sein wird, frage ich mich manchmal, wie das mit zunehmendem Begreifen des Kindes wohl werden wird – ich selbst kann sehr schlecht mit Ablehnung umgehen und denke, dass es besonders unbegreiflich und verletzend ist, wenn man vom eigenen leiblichen Vater abgelehnt wird, weil die Umstände unpassend sind, für die man selbst als Kind nun wirklich nicht verantwortlich ist.

„Ich kann eine Stunde Sport machen – ein Luxus, den ich vorher nicht hatte“

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Aus der Blog-Serie „Elternsein und -werden in Coronazeiten“:

Wie fühlt sich das Leben einer Familie mit Baby in dieser Corona-Zeit an? Welche Auswirkungen hat der Virus auf ihr Leben? Wie bekommen sie Kind, Beruf und Social Distancing organisiert? Wir haben uns in unserem Kundenkreis umgehört. Hier berichtet Christiane., Mama von sechs Monate altem Sohn aus Berlin-Köpenick.

Windelei: Eine neue Zeit lässt die Welt scheinbar stillstehen. Was hat sich mit dem Kontaktverbot und Social Distancing bei euch in der Familie geändert?

Christiane: Wir geniessen, dass jetzt auch der Papa zuhause ist. Obwohl er im Homeoffice sehr diszipliniert arbeitet, haben wir trotzdem mehr Zeit früeinander, jeden Tag ein gemeinsames Mittagessen und ich kann um 17.00 eine Stunde Sport machen – ein Luxus den ich vorher nicht hatte. Natürlich  sind die Babykurse und Mami-Treffs weggefallen, dafür sind mein Sohn und ich wieder sehr viel im Wald unterwegs. Das erinnert mich sehr an die allerserste Zeit nach dem Wochenbett. Auch kulinarisch hat sich einiges geändert: Wir bzw. ich koche täglich 2 mal frisch und probiere viele neue Rezepte aus, das macht uns allen richtig Spaß. Eingekauft wird nur noch alle 5-6 Tage, d.h. das Wochenmenü muss gut geplant werden.

Windelei: Gib uns einen kleinen Einblick in den Alltag mit deinem Kind. Wie verbringt ihr euren Tag?

Christiane: Wir stehen gegen 8 Uhr auf, ich mache mich und meinen Sohn fertig. Nach einem schnellen Obstsalat geht es mindstens eine Stunde in den Wald, denn der Vormittagsschlaf steht an und morgens sind noch nicht so viele Leute spazieren. Dann spielt mein Sohn ein bisschen auf seiner Matte/ unter seinem Spielbogen und ich koche Mittagessen. Nach dem gemeinsamen Essen gibt es einen Mittagsschlaf von ca. 1 h, danach wird gespielt und gekuschelt. 1 Mal in der Woche heize ich die Wohnung schön warm und wir machen PEKIP zuhause oder Babymassage. Um 17 Uhr ziehe ich mich für meinen Sport zurück, danach kochen und essen wir zusammen. Dann wird unser Sohn „bettfertig“ gemacht und wir haben noch 1-2 h für uns, bevor wir auch schalfen gehen.

Windelei: Wieviele Gedanken machst du dir um eure nahe und ferne Zukunft und speziell die deines Kindes. Hat sich da etwas geändert, seitdem Corona bei uns angekommen ist?

Christiane: Ich mache mir ein wenig Sorgen um meine berufliche Zukunft, da meine Branche immer sehr unter Wirtschaftskrisen leidet. Ansonsten versuche ich aktuelle Entscheidungen nicht von Dingen, die eventuell in der Zukunft passieren werden, beeinflussen zu lassen und mit meiner Aufmerksamkeit im Hier und Jetzt zu bleiben. Bezogen auf unseren Sohn mache ich mir keine Sorgen.

Windelei: Was lässt dich positiv nach vorne schauen?

Christiane: Ich glaube sehr daran, dass diese Virus-Krise und noch weitere Ereignisse einen neuen Zeitabschnitt einläuten, in dem wir alle wieder ein bisschen zu uns kommen, uns auf unsere eigentlichen Skills und Wünsche besinnen, von unnötigen Konsum Abstand halten und den Egoismus in den Keller sperren.

„Die größte Angst der Frauen ist, dass die Partner nicht mit in den Kreißsaal dürfen.“

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Aus der Blog-Serie „Elternsein und Elternwerden in Coronazeiten“:

Traumberuf Hebamme: Babys in diese Welt hineinhelfen, Mütter und Eltern begleiten. Und jetzt: Abstand und gleichzeitig neue Ängste bei den Frauen besprechen. Wir haben uns in unserem Hebammenumfeld umgehört. Hier berichtet Hebamme Cornelia, besucht mal ihren Instagram-Account Frau Hebamme:

Windelei: Wie hat sich deine Arbeit verändert als freiberufiche Hebamme?

Cornelia: Meine Arbeit verändert sich derzeit extrem, unter anderem dürfen wir jetzt Telemedizin nutzen. Ich habe meinen Frauen eine Email geschrieben, dass sie sich einen bestimmten Videodienst herunterladen sollen, über den wir verschlüsselt in Kontakt bleiben können. Meine schwangeren Frauen versuche ich nach Möglichkeit nur noch darüber zu betreuen. Zum einen um mein persönliches Risiko zu minimieren, mich nicht anzustecken, zum anderen zum Schutz meiner Frauen, auch hier eine Weitergabe des Virus hier zu vermeiden. Meistens geht das auch, aber wenn ich merke, dass ein Treffen notwendig ist, weil ich einige Handgriffe an der Frau durchführen muss oder weil die Frauen bestimmte Therapien wie Kinesiotaping brauchen, fahre ich natürlich auch weiterhin raus.
Im frühen Wochenbett fahre ich natürlich zu meinen Frauen. Auch ihnen sage ich, dass sie Besuche stark einschränken sollen. Ich empfehle ihnen, dass nur noch die Eltern bei meinem Besuch anwesend sind und bitte 2m Abstand halten, wenn es möglich ist. Das geht natürlich nicht wenn ich die Mutter oder das Baby untersuche. Die Hygienevorschriften habe ich nochmal höher für mich selber gesetzt, als eh schonSo trage ich jetzt immer einen Mund-Nasen-Schutz beim Arbeiten und habe meine geliebte schöne Hebammentasche gegen eine leichter zu desinfizierende Plastikbox getauscht. 

Hebamme mit Mundschutz
Mit Mundschutz zur Mutter und Baby unterwegs

Wenn ich merke, dass nicht mehr so viele körperliche Untersuchungen notwendig sind, versuche ich auch die späten Wochenbetten auf Videotelefonie umzustellen. Außerdem habe ich allen meinen Frauen im Wochenbett gesagt, sie sollen sich eine Babywaage besorgen, weil ich auch für den Fall der Fälle, dass ich selber in Quarantäne muss, vorsorgen möchte. Sollte ich mich also infizieren, aber vielleicht nur leichte Symptome haben, kann ich sie so weiterhin per Videotelefonie betreuen.

Windelei: Und was hat sich im Kreißsaal geändert?

Cornelia: In meinem Kreißsaalarbeit ist es jetzt, dass nur noch eine genannte Person mit in den Kreißsaal und zu Besuch kommen darf. Das ist meist der Vater. Ich muss sagen, dass sich das bei uns sehr positiv auswirkt. Es tut den Frauen gut, da sie viel mehr Ruhe haben, um ihr Neugeborenes kennenzulernen. Außerdem entlastet uns das als Personal total, weil wir merken, dass wir deutlich weniger Diskussionen führen müssen zum Beispiel mit Leuten, die am liebsten schon direkt nach der Geburt in den Kreißsaal hinein wollen, um Mutter und Kind zu sehen. Und genau das fällt jetzt weg.

Die Väter dürfen bei der Geburt bei uns dabei sein und einmal am Tag für eine Stunde zu Besuch kommen. Die Familienzimmer bieten wir weiterhin an.

Ansonsten werden die Babys geboren wie immer. Wir haben auch nicht weniger zu tun, auch deshalb ist die Kreißsaalarbeit gleich geblieben. Dennoch muss ich betonen, dass auch für uns die Situation dynamisch ist. Das heißt wir passen uns immer wieder den eventuell neuen Regeln an. Zu Beginn eines jeden Dienstes gehört es für mich mittlerweile dazu, einmal zu schauen, wie die aktuellen Regelungen sind.

Windelei: Welche Sorgen haben die Frauen, die kurz vor der Geburt stehen derzeit? Wie gehst du damit um?

Cornelia: Die größte Angst der Frauen ist, dass die Partner nicht mit in den Kreißsaal dürfen. Da das ja bei uns gestattet ist, kann ich ihnen diese Angst schnell nehmen. Viele Schwangere haben auch Sorge sich selber zu infizieren. Meist besprechen wir diesen Umstand, sie sind selber gut informiert, schließlich sieht es bislang so aus, dass sie nicht zur Risikogruppe gehören. Ich nehme ihnen das ab, indem ich lange und in Ruhe mit ihnen über ihre Ängste rede und sie über die Sachebene versuche zu erreichen. Das funktioniert meist sehr gut.

Hebamme Cornelia
Hebamme Cornelia – ein Lächeln auch in schwierigen Zeiten

Windelei: Was stimmt dich positiv?

Cornelia: Was mich persönlich positiv bleiben lässt ist zum einen die Welle an Solidarität, die man jetzt erlebt. Ich bin selber Mama und habe meinen 1,5 jährigen Sohn, der genauso lacht und genauso Späße macht, wie sonst auch. Da sieht man einfach: Kinder zeigen einem worauf es ankommt. Die sind trotzdem fröhlich und freuen sich über den Sonnenschein und das lässt mich positiv bleiben. Genauso im Beruf: Die Eltern freuen sich riesig über ihr Kind und das ist einfach was Gutes in unserem Job. Das ist einfach schön zu sehen und hilft einem weiterzumachen.

Windelei: Was glaubst du, was sich persönlich ändern wird nach der Pandemie?

Cornelia: Ich erhoffe mir durch die Coronakrise, dass Berufe die jetzt als systemrelevant eingestuft werden, endlich auch einen Schub erhalten, was Bezahlung, was gesellschaftliche Anerkennung angeht. Sonst sind diese Berufe nur durch schlechte Bezahlung, schlechte Arbeitszeiten und damit nicht die tollsten Bedingungen in den Köpfen gewesen. Und vielleicht bleibt davon ja auch ein wenig hängen.

„Druck macht mir vor allem der Gedanke, Thees nicht ausreichend fordern und fördern zu können“

ZZZ

Aus der Blog-Serie „Elternsein und Eltern werden in Coronazeiten“:

Wie fühlt sich das Leben einer Mama mit Kleinkind derzeit an? Welche Auswirkungen hat Corona auf ihr Leben? Wie bekommen sie Kind, Beruf und Social Distancing organisiert? Wir haben uns in unserem Kundenkreis umgehört. Hier berichtet Constanze S., Mama von 20 Monate altem Sohn aus Kreuzberg.

Windelei: Eine neue Zeit lässt die Welt scheinbar stillstehen. Was hat sich mit dem Kontaktverbot und Social Distancing bei euch in der Familie geändert?

Constanze: Tatsächlich gar nicht so viel, außer dass wir natürlich viel mehr Zeit miteinander, insbesondere auch zu dritt, verbringen. Das genießen wir auch sehr. Vielleicht sind wir etwas lockerer im Umgang mit Medien geworden. Wir videotelefonieren z.B. viel öfter mit Oma und Opa und machen auch schon mal das ein oder andere Video mehr an. Z.B. Kindertanz zum mitmachen, die Hunde von Freddies Bruder und seiner Frau oder – wenn gar nichts anderes mehr hilft – ausrückende Feuerwehrautos und Krankenwagen – auf Youtube findet man ja glücklicherweise für jeden Geschmack etwas!

Windelei: Gib uns einen kleinen Einblick in den Alltag mit deinem Kind. Wie verbringt ihr euren Tag?

Kind knetet auf einem Tablet
Kleinkindbeschäftigung während Corona

Constanze: Thees ist pünktlich wie ein Uhrwerk gegen 7.00 Uhr wach. Oft darf einer von uns beiden noch liegen bleiben, während der andere die ersten beiden Stunden des Tages mit Kaffee kochen, Frühstück und spielen übernimmt.
Meist weiß Thees den Vormittag noch gut, wie er sich beschäftigen möchte, so dass wir ihn größtenteils freispielen lassen. Bude bauen, Suppe aus Quetschiedeckeln kochen oder seine Schleicht-Tiere sortieren sind momentan die Favoriten. Gerne guckt Thees auch auf einem Hocker stehend bei der Zubereitung des Mittagessens zu und hilft beim Tisch abräumen. Einer von uns beiden betreut ihn dabei, während der andere im Homeoffice sitzt.
Zwischen 11.30 und 14:00 Uhr ist Mittagszeit – erst Essen, dann Schlafen – mit etwas Glück eine gute Stunde, mehr war da leider noch nie drin.
Nachmittags gibt es einen Obstsnack und anschließend machen wir einen Spaziergang. Hinterm Haus befindet sich eine Baustelle mit zwei Kränen – da gibt es immer etwa szu sehen, so dass die Spielplatzschließung nicht so schwer fällt.
Bis zum Abendessen, wenn das Freispielen schon etwas schwerer fällt, versuche ich Thees Angebote zu machen, z.B. mit Fingermalfarben oder Knete. Sehr gerne schauen wir uns auch Bücher an. Abendessen gibt es gegen 18:00 Uhr und da wir momentan versuchen, das Töpfchen in das Abendritual zu integrieren, kann das Fertigmachen fürs Bett schon mal sehr ausgiebig dauern. Anschließend wird noch im Bett gelesen und wenn wir selbst nicht mit einschlafen, beginnt gegen 19.30 Uhr die Elternzeit.

Eigentlich hatte ich gedacht, dass Social Distancing auch die Möglichkeit bietet, all die Bastel- und Spielideen umzusetzen, die schon so lange auf meiner Liste stehen, oder auch mal Projekte wie „Kleiderschrank aussortieren“ anzugehen. Mehr Zeit hat Corona allerdings nicht gebracht…solche Sachen fallen nach wie vor in die Abenstunden.

Kleinkind schaut durch das Glas einer Innentüre
„Unsere Homeoffice-Realität – meist fühlt man sich recht beobachtet…“

Windelei: Wieviele Gedanken machst du dir um eure nahe und ferne Zukunft und speziell die deines Kindes. Hat sich da etwas geändert, seitdem Corona bei uns angekommen ist?

Constanze: Erstaunlicherweise habe ich (noch) keine Existenzängste, obwohl wir beide in Kurzarbeit sind – ich bin optimistisch, dass wir spätestens nach dem Sommer wieder durchstarten können. Druck macht mir vor allem der Gedanke, Thees nicht ausreichend fordern und fördern zu können – ich habe die Arbeit der Kindergärtnerinnen tatsächlich nochmal sehr viel mehr schätzen gelernt in den letzten zwei Wochen.
Ich hab schon das Gefühl, dass Thees die soziale Interaktion mit den anderen Kindern fehlt, auch wenn er dass mit seinen 1,5 Jahren noch nicht klar artikuliert. Ich merke allerdings, dass wir in den letzten Tagen sehr viel mehr „gugge“ und mitspielen mussten.

Windelei: Was lässt dich positiv nach vorne schauen?

Constanze: Vor allem das gute Wetter. Wenn morgens bereits die Sonne scheint, ist das enorm hilfreich für die Laune und lässt die Vorfreude auf den Sommer wachsen. Selbst wenn da noch immer nix mit Picknicks oder Baden am See sein sollte, haben wir glücklicherweise einen Balkon, der dieses Jahr auch etwas Ernte abwerfen und demnächst entsprechend präpariert werden soll.
Gegen soziale Isolation machen wir mit unseren Freunden regelmäßig Video-Konferenzen, wobei immer jemand ein Spiel o.ä. vorbereitet – und ganz ehrlich: dadurch, dass das bequem von der Couch aus geht, sind wir häufiger bei solchen Treffen dabei als vor Corona.