Sonja

Berlin

Franzi

München

„Die Tatsache, dass wir homosexuell sind, nimmt in unserem Leben und Denken einen sehr kleinen Teil ein“

ZZZ

Unser Interview hat ein Ziel: Normalität neu zu definieren – Teil 2 vom Start in die Schwangerschaft, die Frage nach der Vaterrolle, Beziehungsmodelle und  einer unaufgeregten Normalität in der Gesellschaft.

Anna und Hanna mit ihrer zauberhaften vier Monate jungen Tochter, sind Berliner Kundinnen der Windelei. Sie lassen uns in ihre lesbische Beziehung hineinschnuppern. Dass unsere Fragen notwendigerweise privat sind, liegt auf der Hand. Aber es gibt ja eben eine politische Dimension des Privaten und um die geht es. So beschrieb es Anna noch bevor sie die Fragen beantwortete.

Teil 1 erzählte vom Beginn ihrer lesbischen Liebe, der Schwangerschaft und viele gesellschaftliche Hindernisse, die heterosexuelle Paare nie überwinden müssen. Nun gehen wir weiter in der Geschichte der nun bald drei weiblichen Familienmitglieder:

Windelei: Wie war dann Deine Schwangerschaft, Hanna?

Hanna: Ich habe zwar vier Schwangerschaftstests gemacht, weil ich es erst gar nicht glauben konnte, aber dann war der Schalter umgelegt, und es war für mich das selbstverständlichste der Welt, schwanger zu sein. Die Schwangerschaft war dann ganz normal mit Übelkeit am Anfang und Kurzatmigkeit ab Woche 5 – aber auch dem besten Schlaf meines Lebens.

Und es war auch völlig unwichtig, wie ich schwanger geworden war.

Windelei: Ward ihr auch auf Zwillinge vorbereitet? Die Wahrscheinlichkeit bei künstlicher Befruchtung steigt doch?

Hanna: Vor eineiigen Zwillingen ist man ja nie „sicher“. Aber die Geschichte der Kinderwunschärztin bei unserem ersten Infoabend, in der eine Frau sich hat zwei Eier zurückgeben lassen, die sich dann beide nochmal geteilt haben, so dass sie letztlich Vierlinge bekam, hat uns sehr beeindruckt.

Die Reproduktionsmedizin ist mittlerweile so gut, dass in der Regel nur ein Ei zurückgegeben wird. Ich hatte Respekt davor Zwillinge zu bekommen, so dass ich auch auf keinen Fall zwei befruchtete Eizellen auf einmal bekommen wollte. Letztendlich war es dann aber so, dass die Qualität der Eizellen nicht so gut war und die Ärztin empfahl zwei einzusetzen. Weil ich ihr vertraut habe, haben wir das auch so gemacht. Erst beim Verlassen der Praxis wurde mir heiß. Aber sie hatte recht, es hat nur ein Baby angebissen.

Windelei: Wow! Wie habt ihr dann entbunden?

Hanna: Anna war bei der Geburt dabei. Bevor ich schwanger geworden war, hatte ich mir immer vorgestellt, ich gehe ins Geburtshaus und danach sofort nach Hause.

Wir hatten dann eine Beleghebamme und waren sechs Tage im Auguste-Viktoria-Krankenhaus, zur Einleitung und danach noch drei zur Nachsorge – und es war einfach perfekt für uns. Wir hatten ein Familienzimmer, in dem wir zwei Tage bei Vollpension auf die Wehen gewartet haben. Als es dann endlich losging, waren wir schon total zu Hause in der Klinik, und konnten die erste Phase zu zweit für uns machen, wie wir es auch bei uns daheim gemacht hätten; mit dem Vorteil, dass es nur drei Meter zum Kreißsaal waren.

Windelei: Wie haben Freunde und Familie auf eure Schwangerschaft und euer süßes Baby reagiert?

Hanna: In unserer gesellschaftlichen Blase haben sich alle einfach nur gefreut. Viele waren sehr neugierig, wie wir das Kind gezeugt haben, und ausnahmslos alle sind schockiert, dass die Gleichstellung der Ehe nichts am Adoptionsrecht geändert hat. Wir erleben sehr viel Mitgefühl, dass Anna jetzt durch diese staatliche Diskriminierung der Stiefkindadoption muss. Insgesamt, glaube ich, sind wir nicht anders behandelt worden, als ein heterosexuelles Paar, das ein Kind bekommt.

Windelei: Was hat die Geburt mit euch als Paar gemacht?

Hanna: Auch wenn die letzten drei Stunden der Geburt fies und anstrengend waren, hat uns dieses Erlebnis nochmal ganz neu als Paar zusammengebracht. Es hat ein paar Tage gebraucht, bis wir verstanden haben, dass dieses winzige Wesen wirklich zu uns gehört, und ich war auch ganz schön erschüttert, was da mit mir passiert war. Aber dann kam nach zwei drei Tagen der Liebeseinschuss, und wir sind sehr glücklich durch die Wochenbettzeit gesegelt.

Windelei: Glaubt ihr, dass die Vaterrolle für eure Tochter fehlt? Was haltet ihr selber davon?

Anna: Ich bin in keiner klassischen Familienkonstellation aufgewachsen, sondern mit Voll-, Halb-, Zieh- und Stiefgeschwistern und dazugehörigen Müttern, Vätern, Onkeln, Tanten und was man sich sonst noch so vorstellen mag. Mein Vater füllte die Elternrolle nur bedingt aus, obwohl er dafür theoretisch zur Verfügung gestanden hätte. Aufgrund dieser Erfahrung finde ich, dass es eher darauf ankommt Menschen im Umfeld des Kindes zu haben, die sich verantwortlich fühlen und ihm Halt geben. Dazu kommt, dass der klassische Vater, als abwesender Ernährer der Familie, meiner Meinung nach, eine überholte Rolle ist.

Windelei: Du würdest also sagen, dass der Begriff Vater bzw. Mann neu definiert werden sollte?

Anna: Ganz allgemein möchte ich sagen, dass insbesondere die Frage danach, was ein Mann ist und sein sollte, hochaktuell ist und natürlich in der Kindererziehung eine Rolle spielt. Wir versuchen uns dem zu nähern, durch Gespräche im Freundeskreis, Literatur zum Thema und den Kontakt mit solchen Männern, von denen wir uns mehr für die Gesellschaft wünschen.

Ich persönlich stehe der Zuordnung bestimmter Eigenschaften zum weiblichen oder männlichen Geschlecht eher skeptisch gegenüber. Das hat biografische Gründe. Ich habe viele Jahre meiner Kindheit quasi als kleiner Junge verbracht. Damit meine ich nicht, dass ich mich als Junge definiert oder meine Familie mich so bezeichnet hätte. Ich war immer Anna. Aber ich habe eben Hosen getragen, hatte kurze Haare, bin auf Bäume geklettert, Skateboard gefahren, habe mich mit Freunden gerauft, viel geflucht und wurde regelmäßig aufs Männerklo geschickt. Das hat erst in der Pubertät zu Konflikten geführt, denn plötzlich wurde von mir verlangt, mich wie eine Frau zu kleiden und zu verhalten. Auch wenn ich diesen Konflikt für mich mittlerweile größtenteils gelöst habe, sorgt mein Erscheinungsbild immer noch regelmäßig für Irritationen. Mir erscheint das unnötig, denn die Irritation entsteht ja nur, weil die Vorstellung von dem, was eine Frau ist, so eng gesteckt ist. Was ich damit sagen will, die Eigenschaften, die einen guten Vater ausmachen, sind vermutlich einfach die Eigenschaften, die einen zu guten Eltern machen, ob Mann oder Frau.

Windelei: Sonja lebt als Alleinerziehende und hat ihren Sohn aus einer Co-Elternschaft bekommen, Franzi lebt in wilder Ehe mit Sohn und Mann zusammen. Wir gehören also auch nicht zur Normfamilie. Wie begegnet ihr dem Vorwurf, keiner klassischen verheirateten Familie anzugehören. Oder dass ihr eurer Tochter ein Beziehungsmodell vorlebt, dem sie dann selber folgt, weil sie es nicht anders kennt?

Hanna: Tja. Ich kann darin keinen Vorwurf erkennen. Ich mag ja mein Beziehungsmodell, da fände ich es total OK, wenn mein Kind das auch für sich wählt. Auch wenn ich das für eher unwahrscheinlich halte. Aber vielleicht sollten wir eh aufhören, von Modellen zu sprechen. Wir haben eben Beziehungen, und versuchen sie so zu leben, dass sie funktionieren. Ich habe kein Beziehungsmodell gewählt, ich habe mich verliebt, und lebe das aus. Ich kann darin kein schlechtes Vorbild für mein Kind erkennen.

Anna: Dieser Logik nach wären Hanna und ich nicht zusammen, sondern in vollkommen anderen, aber in jedem Fall heterosexuellen Konstellationen. Im übrigen muss man ja sagen, dass wir ein extrem klassisches Familienbild abgeben, mit der einen Ausnahme, dass wir beide Frauen sind. Ansonsten ist es bei uns so geregelt, wie bei vielen heterosexuellen Familien nicht. Wir haben erst geheiratet, dann ein Kind gezeugt. Wir leben zusammen, teilen uns ein Konto und essen sonntags ein Ei. Wie ich schon sagte, wäre ich nicht unbedingt auf die Idee gekommen zu heiraten, wenn die gesetzliche Lage es nicht notwendig gemacht hätte. Insofern wurden lesbische Paare mit Familienwunsch, zumindest in dieser Hinsicht, zu einer traditionellen Norm verpflichtet, die heterosexuelle Familien schon längst nicht mehr erfüllen müssen.

Windelei: Wir sind froh euch auf unserer Homepage als Familie abbilden zu können, die uns ein kurzes Kundenstatement gaben. Inwiefern fehlt euch dieser Blick auf diverse Familien in unserer Gesellschaft? Was kann jedeR Einzelne, aber auch im Großen machen, um Diversität als Normalität zu begreifen?

Hanna: Ich freue mich, dass beispielsweise in Fernsehserien homosexuelle Liebe ziemlich selbstverständlich vorkommt, und oft auch schon ohne problematisiert zu werden. Schaut man allerdings in Broschüren, die man in Krankenhäusern oder von anderen offiziellen Stellen zu Kinderpflege bekommt, oder in „Erziehungsratgebern“ kommt etwas anderes als die heteronormative Familie so gut wie nicht vor. Auch Kinderbücher mit gleichgeschlechtlichen Elternpaaren sind eher selten.

Mehr unaufgeregte Sichtbarkeit wäre aber wichtig, um andere Familienkonstellationen nicht mehr als das „Andere“ begreifen zu müssen. Dann müsste es auch nicht mehr als bedrohlich wahrgenommen werden. Dazu sei erwähnt, dass es mir sowieso ein Rätsel ist, wieso meine Liebe die Ehe von irgendjemand anderem gefährden sollte. Ohne Andersartigkeit könnten wir uns einfach unsere Leben leben lassen. Denn es ist ja so: Die Tatsache, dass wir homosexuell sind, nimmt in unserem Leben und Denken einen sehr kleinen Teil ein, und ist für unser Zusammenleben ziemlich unbedeutend. Ich wünsche mir, dass wir dahinkommen, dass sie das auch für die öffentliche Wahrnehmung ist.

Anna: Ich denke, dass Dialog unheimlich wichtig ist. Denn im direkten Kontakt lässt sich häufig feststellen, dass die Gemeinsamkeiten eigentlich die Differenzen überwiegen. Insofern möchte ich dazu ermuntern, ruhig einmal eine Frage zu stellen. Allerdings muss klar sein, dass das Gegenüber nicht zu einer Antwort verpflichtet ist. Ich habe in meinem Leben oft erlebt, dass von mir erwartet wurde, mich zu erklären, weil ich ja die „Andere“ war. Ein solcher Anspruch auf Erklärung besteht nie! Empathie für das Gegenüber, wie man sie in jedes Gespräch miteinbringen sollte, ist also auch hier angemessen.

„Der Staat nimmt sich heraus, zu behaupten, dass das nicht ihr Kind ist. Das ist unglaublich verletzend.“

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Unser Interview hat ein Ziel: Normalität neu definieren – Teil 1

Vom Beginn einer lesbischen Liebe bis zur Samenspende und viele gesellschaftliche Hindernisse, die heterosexuelle Paare nie überwinden müssen.

Anna und Hanna mit ihrer zauberhaften vier Monate jungen Tochter sind Berliner Kundinnen der Windelei. Sie lassen uns in ihre lesbische Beziehung hineinschnuppern. Dass unsere Fragen notwendigerweise privat sind, liegt auf der Hand. Aber es gibt ja eben eine politische Dimension des Privaten und um die geht es. So beschrieb es Anna noch bevor sie die Fragen beantwortete.

Windelei: Liebe Anna, liebe Hanna, erzählt doch bitte kurz wie habt ihr euch kennengelernt und wie lange seid ihr schon zusammen?

Anna: Wir haben uns, geradezu altmodisch, in einer Bar kennen gelernt. Das war im „August Fengler“, eine von diesen Berliner Kneipen, in denen es vorne einen Tresen gibt und hinten eine winzige Tanzfläche und die eigentlich nichts Besonderes an sich hat. Dort landet man, wenn einem gerade das Portemonnaie geklaut wurde und man einen Schnaps braucht oder man am Vortag verlassen wurde und nicht so recht weiß, wohin mit sich. Jedenfalls geht man hinein, trinkt drei Bier und wenn man wieder rauskommt ist es 5 Uhr morgens und man hat keine Ahnung wo die Zeit hin ist.
So haben wir uns kennengelernt, Ostern 2009. Zusammengekommen sind wir erst später. Aber das ist eine längere Geschichte, die heben wir uns für nach drei Bier auf.

Windelei: Ihr seid verheiratet, oder?

Anna: Verheiratet sind wir seit 2018. Der Anstoß dafür war die Entscheidung für ein gemeinsames Kind. Die rechtliche Lage machte die Heirat notwendig, weil ich ansonsten keine Möglichkeit gehabt hätte, Hannas zukünftiges Kind zu adoptieren. Mittlerweile hat sich die rechtliche Lage geändert. Stiefkindadoptionen sind jetzt auch ohne Eheschein möglich. Unsere Hochzeitsfeier war jedenfalls so wunderschön, dass wir sie um nichts missen wollten, Gesetze hin oder her.

Windelei: Wusstet ihr von Anfang an, dass ihr eine Familie gründen möchtet oder wie seid ihr der Überlegung begegnet?

Anna: Ich hatte weder Kinder noch Heirat wirklich in meinem Lebensentwurf. Das hing auch mit meiner Sexualität zusammen. Für mich bedeutete Homosexualität ein radikales Anderssein, Heirat und Kinder passten nicht in dieses Bild. Vorbilder, die lesbische Homosexualität mit Familienleben verbanden, kannte ich nicht. Ich wusste aber von Anfang an, dass Hanna eine Familie will. Sie hatte etwas Überzeugungsarbeit zu leisten.

Hanna: Ich wollte schon immer Kinder. Und ich hatte auch große Lust, schwanger zu sein. Ich finde es so absolut großartig, dass der weibliche Körper das kann, dass ich das unbedingt erleben wollte. Als ich dann mit Mitte 20 entdeckt habe, dass ich auch Frauen liebe, habe ich mich als erstes durch die unterschiedlichen Möglichkeiten der Familiengründung gegoogelt, wenn die Beziehung kein Sperma produzieren kann.

Windelei: Habt ihr besprochen ob ihr beide eine Schwangerschaft erleben möchtet?

Anna: Ich hatte sehr lange ein schwieriges Verhältnis zu meinem weiblichen Körper und auch wenn sich das mittlerweile geändert hat, eine schwangere Frau werde ich nie sein.

Windelei: Wusste jede von euch schon vor eurer Beziehung, dass sie mal ein Kind haben möchte?

Anna: Mit Mitte zwanzig hörte ich in einem Café einer Unterhaltung zwischen zwei lesbischen Frauen zu. Sie waren ungefähr zwanzig Jahre älter als ich. Das Gespräch drehte sich um die gleichen Themen, wie sie mein aktuelles Leben bestimmten und ich habe mich gefragt, ob das anders wäre, wenn sie Kinder hätten. Das hat mir zu denken gegeben. Ich hatte die Vermutung, ein Kind würde eine andere Perspektive als die Ich-zentrierte mitbringen, was mir gut erschien. Von diesem Gedanken war es trotzdem noch weit bis zu einem konkreten Kinderwunsch und ohne Hanna hätte ich vielleicht nie ein Kind bekommen.

Windelei: Ok, also der Kinderwunsch war dann irgendwann geweckt. Jetzt musste noch geklärt werden, auf welchem Weg Hanna schwanger werden sollte. Welche Möglichkeiten habt ihr für euch in Betracht gezogen bzw. wieder fallen gelassen?

Anna: Es gibt viele Möglichkeiten an Sperma zu kommen. Grundsätzlich gibt es zwei Optionen: privat oder mit Samenbank.
Eine private Spende hat den biologischen Vorteil, dass das Sperma frisch ist, was die Chancen auf eine Schwangerschaft erhöht. Nicht allzu selten, zum Beispiel, bieten einem heterosexuelle Männer aus dem Freundeskreis ihre Hilfe an. Das führt dann gerne zu merkwürdigen Situationen, denn wie sagt man seinem guten Freund, dass man ihn zwar sehr mag, aber sein Sperma lieber nicht möchte? Genauso gut kann es sein, dass man jemanden kennt, den man sich als Spender gut vorstellen kann, aber zu welcher Gelegenheit ist eine solche Frage angemessen? Die Suche nach Spendern im Internet ist in dieser Hinsicht einfacher.

Windelei: Gibt es noch andere Nachteile bei privaten Spendern?

Anna: Es gibt einen rechtlichen Nachteil: Ein privater Spender kann das mit seinem Sperma gezeugte Kind erst acht Wochen nach dessen Geburt zur Adoption freigeben. Ohne die Freigabe kann die Co-Mutter das Kind nicht adoptieren. Es besteht also das Risiko, das Sorgerecht für das gemeinsame Kind nicht zu bekommen, sollte der Spender seine Meinung ändern und die Vaterschaft doch anerkennen lassen. Mich hat diese Möglichkeit sehr beunruhigt, weshalb ich es von Anfang an lieber mit einer Samenbank versuchen wollte.

Windelei: Ok, also war für euch klar, dass der Samen von einer Samenbank stammen wird?

Anna: Ja. Der rechtliche Vorteil bei der Samenbank ist, dass die Spende dort anonym ist, es also für den Spender keine Möglichkeit gibt eine Vaterschaft einzufordern. Biologisch allerdings ist die Samenbank nicht die beste Option, denn das Sperma wird in gefrorenem Zustand aufbewahrt. Durch das Einfrieren und Auftauen bekommt es leider einen Hau weg – bei weitem nicht alle Spermien überleben die Prozedur. Außerdem ist eine solche Behandlung recht teuer. Neben den Kosten für das Sperma müssen Transport und Lagerung sowie ÄrztInnen für Insemination oder In-Vitro-Fertilisation bezahlt werden.

Windelei: Gibt es Auswirkungen in welcher Art von Beziehung die zu befruchtende Frau gerade lebt?

Anna: Ob die zu befruchtende Frau in einer hetero- oder homosexuellen Beziehung steckt oder alleinerziehend ist, spielt für die Behandlung selbst keine Rolle. Es bedeutet aber unter Umständen höhere Kosten oder einen anderen rechtlichen Aufwand. Krankenkassen zahlen Kinderwunschbehandlungen unter ganz bestimmten Umständen: Paare müssen theoretisch in der Lage sein miteinander Kinder zu zeugen. Das schließt lesbische Paare und alleinstehende Frauen von vornherein aus, aber nicht nur diese. Denn auch heterosexuelle Paare, bei denen die Frau etwa zu alt ist (Richtwert 42 Jahre) oder der Mann vollständig unfruchtbar, bekommen keine finanzielle Unterstützung. Nur Paare, deren Eizellen und Spermien mit technischen Mitteln irgendwie zur Fortpflanzung verwendet werden können, können sich die Behandlung bezahlen lassen. Die zugrundeliegende Logik ist mir unklar, denn günstiger ist die Behandlung deswegen nicht unbedingt.

Windelei: Also ihr musstet die komplette Befruchtung selber zahlen. Gibt es sonst noch Fallstricke, um in einer Frauenbeziehung schwanger zu werden?

Anna: Oh ja. Nehmen wir noch den Besuch beim Notar. Den müssen alleinstehende Frauen und lesbische Paare machen, bevor sie Sperma von der Samenbank bekommen. Das ist jetzt ein bisschen kompliziert, aber ich versuche es knapp zu erklären:
Ein Kind, das in eine heterosexuelle Ehe hineingeboren wird, ist automatisch das Kind beider Eheleute. Das ist auch dann der Fall, wenn einer oder beide transsexuell sind. Wichtig ist der Geschlechtseintrag im Personalausweis. Mit dem zugestandenen Sorgerecht sind beide unterhaltspflichtig.

Ein Kind, das mittels Samenspende in eine lesbische Ehe oder einer alleinstehenden Frau geboren wird, hat rechtlich erst einmal nur einen Elternteil – die Frau, die es geboren hat. Damit ein solches Kind nicht benachteiligt wird, steht ihm rechtlich eine zweite unterhaltspflichtige Person zu. Nun ist aber offen, wer diese zweite Person ist, denn der Spender kann hierfür nicht herangezogen werden. Das bringt Samenbank und Kinderwunschklinik selbst in Gefahr unterhaltspflichtig zu werden, denn diese haben die Frau ja befruchtet. Um sich vor Unterhaltsansprüchen zu schützen, wurde von mir daher eine notarielle Beglaubigung verlangt, in der ich versichere, den gegebenenfalls anfallenden Unterhalt zu übernehmen. Eine alleinstehende Frau müsste einen Bürgen oder eine Bürgin hierfür finden. Eine solche Beglaubigung ist nicht wahnsinnig aufwändig, aber bedeutet doch einen finanziellen und zeitlichen Mehraufwand, den heterosexuelle Paare nicht haben.

Die rechtliche Lage ändert sich immer mal wieder. Ich denke, dass die Möglichkeit zur Anerkennung der Elternschaft vor der Geburt eine Lösung wäre.

Windelei: Neben dem Unterschied zu heterosexuellen Paaren zum Notar zu gehen bevor die Befruchtung stattfindet gab es noch weitere Besonderheiten aufgrund eurer lesbischen Beziehung?

Hanna: Unsere Kinderwunschklinik hat sich dann auch noch abgesichert, in dem sie einen Besuch bei einer Psychologin vorgeschrieben hat, die in einem Gespräch „geprüft“ hat, ob wir uns das auch gut überlegt haben mit dem Kind. Das war kein schlimmer Termin, aber lästig, und wir hatten außerdem das Gefühl, dass die Therapeutin ein größeres Problem mit unserer Konstellation hatte als wir. Sie hat uns mehrfach Lösungen für Probleme angeboten, die wir gar nicht hatten.

strong>Windelei: Seid ihr nun beide automatisch als Mütter eingetragen oder wie ging der Prozess nach der Geburt weiter, damit ihr eine komplette Familie seid?

Anna: Bislang ist nur Hanna als rechtliche Mutter eingetragen. Ich muss unser Kind adoptieren, obwohl wir verheiratet sind. Wäre ich ein Mann, wäre ich mit Geburt der rechtliche Vater, trotz Samenspende. Das bedeutet nicht nur für mich eine große Unsicherheit, sondern auch für unser Kind. Die Gesetzeslage ist klar diskriminierend und wird aus diesem Grund derzeit vor dem Verfassungsgericht verhandelt. Den Antrag auf Adoption kann man erst acht Wochen nach der Geburt des Kindes stellen. Meiner Meinung nach eine unnötige Verlängerung der Unsicherheit. Insgesamt fühle ich mich ziemlich gegängelt.

Windelei: Und was musst du für die Adoption noch alles vorlegen? Wohlgemerkt obwohl du schon beim Notar warst und dafür bezahlt hast, dass man dir glaubt, dass du für das Kind sorgen wirst?

Anna: Was viele nicht wissen, es ist nicht einheitlich geregelt, welche Unterlagen für eine Adoption vorgelegt werden müssen. Diese Entscheidung obliegt den jeweiligen Richter*innen. Wenn sie Lust haben, können sie von mir die vollständige Offenlegung meiner Finanzen, ein polizeiliches Führungszeugnis oder auch einen HIV-Test verlangen. Für manche Adoptionsfälle mag dies sinnvoll und gerechtfertigt sein, sicherlich war es das nach dem zweiten Weltkrieg als das Adoptionsrecht entstand. Für einen Fall wie unseren ist eine solche Durchleuchtung absolut unangemessen.

Hanna: Um das nochmal klar zu machen: Obwohl Anna von Anfang an in den Entscheidungsprozess ein Kind zu bekommen eingebunden war, sich von Anfang an für dieses Kind entschieden, mich den ganzen Weg durch Schwangerschaft und Geburt begleitet hat, muss sie es über sich ergehen lassen, dass das Jugendamt vorbeikommt – in manchen Fällen auch mehrfach – und ihre Beziehung zu unserem Kind hinterfragt. Sie hat das Kind im Arm gehalten, während ich nach der Geburt versorgt wurde, hat die Nächte durchgewacht, alle drei Stunden gewickelt, geht ein Jahr in Elternzeit, und der Staat nimmt sich heraus, zu behaupten, dass das nicht ihr Kind ist. Das ist unglaublich verletzend.

Windelei: Hattet ihr Mütter- oder Väterpartnerschaften in eurem Freundeskreis die diesen Weg schon gingen oder andere Beratungsstellen für Regenbogenfamilien?

Hanna: Wir kannten damals ein einziges Frauenpaar, das aktiv zusammen ein Kind bekommen hat. Bei anderen lesbischen Paaren mit Kindern aus dem Bekanntenkreis, hatte jeweils eine der Frauen die Kinder mit in die Beziehung gebracht.
Unsere Freundinnen haben uns viel über den Prozess berichtet, von falsch aufgetautem Sperma, was sie ein ganzes Jahr vergebliche Inseminationsversuche gekostet hatte, von Spermaübergaben auf Parkplätzen, weil der Spender nicht in derselben Stadt wohnte, und auch davon, dass man ein Jahr verheiratet sein muss, um den Adoptionsprozess anstoßen zu können. Bei letzterem stellte sich dann heraus, dass das nur für Bayern galt. In Berlin hätte man im Prinzip am Tag der Adoption heiraten können.
Wir waren auch im Regenbogenfamilienzentrum – danach hatten wir aber eher mehr Fragen als vorher.

Windelei: Was hat dieser technische Prozess in eine Familie zu starten mit eurer Beziehung, eurem Seelenleben gemacht?

Hanna: Ich habe es als sehr belastend empfunden, diesen sehr emotionalen und eigentlich intimen Vorgang, ein Kind zu zeugen, so technisch zu beschreiten. Auch dass dabei notgedrungen so viele andere Menschen involviert sind, fand ich anstrengend. Dazu kam, dass ich beruflich sehr viel reise, und es schwierig war, Phasen zu finden, in denen ich zwei Wochen am Stück in der Stadt war, die dann auch noch zu meinem Zyklus passten.
Ich war erstaunt, wie wenig die Kinderwunschkliniken auf den weiblichen Zyklus, der sich eben nicht an Wochenenden und Feierabende hält, eingestellt sind. Die haben ganz normale Öffnungszeiten und Wochenenden und Ferien. Außerdem hatte ich oft das Gefühl, ich rufe zu spät an, um noch einen Termin zu bekommen. Dabei es ist gar nicht möglich, Monitoring und Insemination weiter als höchstens 2 Wochen im Voraus zu planen.

Windelei: Welche praktischen Schwierigkeiten hast du irgendwie körperlich und seelisch auffangen müssen?

Hanna: Anfangs waren wir noch bei einer Samenbank, die immer nur eine Probe ausgeliefert hat, aber z.B. Freitags nur bis 12:00 Uhr. Wenn ich also Freitagmorgen Blut abnahm, um festzustellen, ob ich einen Eisprung habe, musste ich auf ein schnelles Ergebnis aus dem Labor hoffen. Die sagten dann einem Fahrer Bescheid, der die Probe aus der Samenbank abholen sollte. Aber es passierte auch, dass der dann aus irgendeinem Grund zu spät war und so war die Samenbank schon zu und damit wieder ein ganzer Monat mentale Vorbereitung in einem einzigen, nicht von uns beeinflussbarem Moment vorbei. Das hat mich fertig gemacht. Man hat ja nur einen Versuch pro Monat, und bei mir war es dann eben auch oft so, dass ich schon wusste, dass ich die nächsten Monate gar nicht da sein werde – das war so ein Stress, dass ich nach anderthalb Jahren erst mal sechs Monate Pause machen musste.

Hinzu kam die psychische Belastung wenn ich meine Tage bekam. Also zunächst einmal zwei Wochen banges Warten erdulden nach der Insemination. Und dann setzt die Menstruation ein und zeigt klar, dass es wieder nicht geklappt hat. Dann wollte ich eigentlich nur weinen, aber, ich musste sofort Leute anrufen, um den nächsten Versuch organisatorisch in Gang zu setzen. Es war so zermürbend, auch weil ich anstatt der Trauer wieder Hoffnung und Kraft aufbringen wollte und auch musste, um weiterzumachen.

Windelei: Und wie hat es dann doch geklappt, meinst du?

Hanna: Irgendwann haben wir die Samenbank gewechselt. So konnten wir Monitoring und Insemination in derselben Praxis machen lassen. Wir hatten so auch zum ersten Mal eine feste Ärztin, das hat sehr geholfen.
Aber alles in allem war das für mich eine sehr anstrengende Zeit.

Windelei: Wie erging es dir, Anna?

Anna: Für mich war es in vielerlei Hinsicht deutlich weniger belastend. Aber eine Sache war nicht ganz einfach: Weil ich nicht diejenige war, die schwanger werden sollte und ich auch nicht das Sperma liefern konnte, wurde ich oft nicht so stark einbezogen. Das hat sich in kleinen Dingen geäußert, zum Beispiel wenig Blickkontakt und Ansprache. Ich saß häufig neben Hanna und hatte das Gefühl ungesehen und nutzlos zu sein. Und das stimmt auf der biologischen Ebene, aber auf der emotionalen ist die Unterstützung der Partnerin/des Partners natürlich sehr wichtig. Das ist leider ein Punkt, der im technisch-medizinischen Ablauf wenig beachtet wird. Es führt dazu, dass PartnerInnen dahingehend nicht unbedingt unterstützt werden. Da bin ich aber vermutlich als Co-Mutter in einer ähnlichen Situation wie ein unfruchtbarer Mann.

Hier geht es weiter zu Teil 2- von der Schwangerschaft, über die Vaterrolle, Beziehungsmodellen und unaufgeregte Normalität für die Zukunft.